Rolf kommt mit der Post...
roter rennrolli, kurze frisur, die frankfurter rundschau zwischen sich und die rückenlehne gesteckt. halbseitengelähmt und total aktiv. so lernte ich rolf vor zwei jahren kennnen. ein knorriger, drahtiger agiler mensch der im rolli sitzt und doch sein leben fest im griff hat. sorgen machte er sich, bisher hatte er seine behinderung im griff aber nun ende fünfzig merkte er, dass nicht mehr alles so einfach war wie bisher. und letztens ist er im bad gestürzt und das war der punkt an dem er merkte, dass er vielleicht schon bald mehr hilfe braucht. angst vor dem alter hatte er. deswegen hat er von seiner kleinen rente geld gespart. damit er von niemanden abhängig ist, wenn er mal geld braucht. er lebte in einem einzimmerappartment mit kochloch und sanitärblock. dieses wohnklo war in keiner weise auf seine bedürfnisse als behinderter im rollstuhl zugeschnitten. "ich brauche nicht viel", war seine antwort. ja, rolf war asket. rollstuhlmarathon hat er gemacht. wenn er mal die mosel bis hinauf zur saarmündung fahren wollte, konnte er das direkt von eingang der anonymen wohnanlage in der er wohnte, aus tun. "sonntags, wenn das wetter nicht zu kalt ist, egal ob es regnet, dann fahre ich schon mal in der gegend herum.", sagte er fast als randbemerkung zu seinen freizeitaktivitäten befragt. ob er denn kontakte zu seiner familie, zu freunden oder bekannten hätte? der kontakt zu seiner familie existiert nicht mehr. seit seiner behinderung vor zwanzig jahren, hat er ständig versucht leute kennen zu lernen. um besuch zu empfangen, dazu war seine wohnung zu klein. er hat gelernt, dass man auf konzerten viele menschen kennen lernen kann, freundschaften auf dauer sind nie daraus geworden. nicht mal bekanntschaften. das vergangene jahr war aussergewöhnlich für rolf. aktiv bis zum anschlag. teilnahme an einer motorradausfahrt, planungen für das nächste jahr, eine behindertengerechte wohnung, vielleicht einmal urlaub machen.
dann war da das strassenkehrauto dessen fahrer rolf nicht sah, dann waren da auf einmal gesundheitliche probleme die ihm angst machten. dann krankenhaus. und doch arbeitete er zielstrebig an der neuen wohnung. einzug in die neue wohnung im juni, dann nochmals gesundheitliche probleme. wieder krankenhaus.
rolf ist am 25.juli 2005 um 12.15 uhr im hospiz verstorben.
nun kommt er zu seiner eigenen beerdigung mit der post.
<< Home