Montag, Februar 17, 2014

Aktentasche, Butterbrotsdose, eine Thermoskanne Kaffee und ein grauer Kittel

Wenn ich mich recht entsinne, kam Heinz im Alter von 53 Jahren in meine Gruppe. Es muss das Jahr 1992 oder 1993 gewesen sein. Er hatte vor kurzem einen Schlaganfall erlitten. Halbseitenlähmung und zudem eine ausgeprägte Sprachbehinderung war das Resultat. Und er sollte über eine regelmäßige Tagesstruktur wieder zurück in sein Leben finden. Er war gelernter Schlosser, zuletzt beim Eichamt beschäftigt. Genauigkeit war sein Ding. Alles musste stimmen, passen oder recht sein.
Heinz schreibt das Gruppentagebuch auf einem Amiga Computer
Bilderrahmen haben wir zusammen gebaut. Selbst aus Leisten mit der Gehrungssäge von Hand gesägt. Dann die Rahmen auf Sperrholz geleimt und diese dann farbig mit Motiven oder Ornamenten gestaltet. Unzählige davon haben wir gemacht. Dann kamen Puzzle, zuerst mit 500 Teilen, dann 1000er zum Schluss mehrere 3000er Puzzle. Über die ganze Zeit hatte Heinz auch das tägliche Gruppenprotokoll geschrieben. Welche Gruppenmitglieder da waren, was gemacht wurde, was es zu Mittagessen gab, wohin der Tagesausflug ging. So lernte er über viele Monate und Jahre die Worte wieder. Oft war er sehr erzürnt, wenn er die Worte nicht fand. Sie fehlten ihm einfach. Zwar wusste er immer was er sagen wollte, nur wie er es sagen wollte, das zu können war für ihn immer ein Problem.
Dann kam die Phase mit dem Modellschiffbau. Maßstabsgerechte ferngesteuerte Schiffe 1:50 wurden gebaut. Holzspantenbauweise. Leim, kleine Nägel, kleine Werkzeuge, viel Geduld. Erst ein Frachter, dann ein Fischkutter, schließlich half er mir bei meinem Projekt, dem Schlepper "Amsterdam". Mit Antrieb und Fernsteuerung und schweren Batterien, so dass der Schlepper über eine Stunde auf dem Palastgartenweiher fahren konnte. Mal namen wir den Frachter mit, der wurde dann geschleppt. Die Ehe von Heinz wurde geschieden.

Heinz im Werkraum



Heinz mit seiner Gruppe auf der Burg


Dann zog er nach Trier Süd in ein Mehrgenerationenwohnprojekt, genoss die Gestaltung der eigenen Wohnung, entwickelte das Hobby mit der Modelleisenbahn und den historischen Sammelautos.
Deutsche Bahn, Deutsche Post, Feuerwehr.
Dort engagierte er sich in der Dorfgemeinschaft, übernahm den Kiosk-Dienst.
Im Verlaufe der nächsten Jahre wechselte mein Aufgabengebiet und ich hatte nur noch selten mit Heinz kontakt.
Es ist schon ein merkwürdig stilles Gefühl, wenn man nach über zweiundzwanzig Jahren die man sich kennt erfährt, dass eine wichtige Person des eigenen Lebens  am vergangenen Wochenende in seiner Wohnung auf der Couch sitzend zu einem unbestimmten Zeitpunkt verstorben ist.
Machs gut Heinz.

Heinz

Geboren
28.09.1941

Gestorben
17.02.2014



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